Bevor ich auf den Auslöser einer Kamera drücke, lasse ich mir Zeit - viel Zeit manchmal, manche würden sagen, zu viel Zeit. Ich kann das tun, weil ich weder Kinder-, noch Tier-, noch Sportfotograf bin. Bei mir braucht ein Foto
Zeit. In der Zeit, bevor ich auf den Auslöser drücke, stelle ich einige Überlegungen an. So mache ich mir beispielsweise Gedanken über den Standort, die Bildgeometrie, die Perspektive, das Seitenformat, die Brennweite, die Schärfentiefe, die prominenten Farben im Bild und mehr. Ich frage mich: Habe ich alle Subjekte im Bild, habe ich Teile 'abgeschnitten', wie stehen die Subjekte / Objekte in Bezug zueinander? Ich versuche, eins zu werden mit der Szene, vollständig präsent zu sein.
Das ist nicht immer einfach. Aber es ist möglich, ich brauche nur hin und wieder etwas mehr Zeit dafür. Würde ich so 'knipsen', wie ich es früher getan habe, hätte sich mein Art von Fotografie längst erledigt. Dessen bin ich mir bewusst und dankbar für diese Erkenntnis. Das Allerwichtigste ist jedoch: Ich habe Spaß daran, mit der Kamera zu arbeiten und ich habe Spaß daran, zu lernen.
David DuChemin formuliert das Ganze in seinem Buch 'Das Handwerkzeug des Fotografen' übrigens so:
• Welchen Gedanken oder welche Wirkung möchte ich mit diesem Foto vermitteln?
• Welche Rolle spielen die Farben?
• Wie würde diese Szene aussehen, wenn ich ein- oder auszoomen würde?
• Was hat dieser spezielle Augenblick an sich – warum habe ich gerade ihn gewählt, statt noch einen Moment zu warten oder das Bild ein bisschen früher zu machen?
• Würde sich das Aussehen bestimmter Elemente durch meine Einstellungen (Blende, Belichtungszeit, Brennweite) ändern? Könnte ich meine Geschichte besser erzählen? Welche Elemente wären bei einer geringeren Schärfentiefe nicht mehr im Fokus? Welche würden bei einer längeren Belichtungszeit verwischen? Durch solche Unschärfen ändern sich Formen und Bildkomposition.
• Mit welchen Mitteln kann ich Unwichtiges aus dem Bild nehmen, ohne die Wirkung der wichtigen Elemente zu mindern? Soll ich mein Motiv zum Beispiel mit einem Teleobjektiv isolieren? Oder soll ich ein Weitwinkelobjektiv nehmen, dafür näher herangehen und vielleicht meine Position und die Bildperspektive ändern?
• Welche Beziehungen bestehen zwischen den Elementen? Kann ich diese durch einen anderen Standort oder ein anderes Objektiv verdeutlichen?
• Wo sind in diesem Bild die Linien? Würde ein anderer Bildausschnitt (vertikal oder horizontal), ein anderes Seitenverhältnis (Quadrat, 16:9 usw.) oder ein anderes Objektiv sie betonen oder abschwächen?
• Führen diese Linien das Auge in das Bild hinein oder aus ihm heraus? Könnte ich das ändern, um das Auge besser zu leiten? • Was ist mit dem Licht? Licht trägt zur Komposition bei, schafft Schattenzonen, Räumlichkeit und Stimmung. Ignorieren Sie die Schatten nicht; Sie vergeben sonst eine Chance auf stärkere Bilder.
• Gibt es Räumlichkeit in meinem Bild? Könnte es mehr sein? Oder wäre weniger besser?
• Gibt es wiederholte Elemente, die ein visuelles Echo hervorrufen oder einen Rhythmus erzeugen? Könnte ich ein wenig auszoomen und mehr von diesen Elementen zeigen? Oder soll ich ein bisschen näher herangehen, sodass weniger Elemente sichtbar sind?